Zeichen des Sozialismus: Packstationen

Immer wieder fallen mir im Alltag Dinge auf, die es entweder früher nicht gab oder Dinge, die sich dahingehend verändern, dass es sie irgendwann nicht mehr geben wird. Hier sind es Zeichen des Verfalls, des Niedergangs, dort die des Aufstieges, der Verbesserung. Es ist freilich ein natürlicher Prozess, dass sich Dinge ändern und wäre dem nicht so, die Welt wäre vermutlich ziemlich langweilig. Vielleicht aber auch nicht; wer weiß das schon. Im Grunde ändert sich alles um einen herum: Architektur, Technologie, politische Systeme, Geld, Kultur, Arbeitswelt und so fort. Ein normaler Prozess. Ordnet man diese Veränderungen über einen Zeitraum betrachtet nun ein, kann man ggf. Rückschlüsse daraus ziehen, wieso und weshalb dies oder jenes so oder eben so geschieht. Diese kausalen Zusammenhänge kann man wiederum in Kategorien einzuordnen versuchen.

Eine dieser »Kategorien« springt mir in den letzten Jahren zunehmend ins Gesicht. Einerseits durch eine gewisse Sensibilisierung meiner selbst, andererseits aber auch schlicht quantitativ. Man könnte diese Zuordnungskategorie gewissermaßen »Zeichen des Sozialismus« nennen. Andere Zeitgenossen wären vielleicht geneigt, das Wort »Zeichen« durch »Früchte« zu ersetzen. Ein jeder wie er es gerne möchte.

So fiel mir auch heute wieder eine dieser, aus meiner Sicht, »Strange Fruits« auf. Eine, die sich in den letzten Jahren sonderbar vermehrt hat: Die Packstation. Ich liebe die Packstation, denn so kann ich meine Päckchen abholen wann immer ich will und muss vor allem keine Schlange am Postschalter stehen. Denn Schlange stehen ist auf der Hauptpost, zumindest hier in Saarbrücken, Standard. Gerne steht man dort auch mal eine halbe Stunde an und man ist gut beraten, sich etwas zu lesen in die Tasche zu stecken. Deshalb finde ich die Packstation super praktisch und lasse mich seit etwa zwei Jahren nur noch zu diesen gelben Kästen beliefern. Auch meine Zeitgenossen berichten zunehmend von ihren Erlebnissen mit der ein oder andern Packstation. Ein richtiger Trend also.

Als ich heute zu einer neuen Pakstation fuhr, kamen mir allerdings Zweifel über deren Fortschrittlichkeit. Nachdem ich auf dem Weg dorthin an der 10. Ampel anhalten musste (trotz Feiertag), kam mir das doch ganz schön zeitverschwenderisch vor, für eine Kleinigkeit die ich bestellt hatte, so ein Aufwand am Bein zu haben. In Zeiten, wenn mich die Bestellwut via Amazon & Co. anheim fällt, verbringe ich pro Woche locker ein paar Stunden in Stadt und Stau, vorwärts im revolutionären Kampfe Richtung Packstation. Aber welche Alternativen hätte ich derzeit? Nur die, mich in erwähnte Schlange bei der Postzentrale zu stellen. Man könnte mich nun fragen, warum ich mir die Sendung nicht zu mir nach Hause habe liefern lasse. Ganz einfach: Dort ist um Zeiten, in denen DHL und andere Dienstleister ihrer Arbeit nachgehen, niemand anzutreffen, denn die Hausbewohner der arbeitenden Bevölkerung sind ebenfalls auf der Arbeit oder verweilen ihr morgend- und nachmittagliches Dasein in KITAs, bzw. Schule inklusive »Nachbetreuung«. Ja, Nachbetreuung. Ein Terminus, den es zu Zeiten als ich zur Schule ging, zumindest im Westen Deutschlands nicht gegeben hat und mein Sohn macht immer große Augen, wenn ich ihm erzähle, dass ich in seinem Alter spätestens gegen ein Uhr Mittags zuhause war und tun und lassen konnte was ich wollte, da meine Mama bereits mit Mittagessen auf mich wartete oder mit dem freundlichen Postmann ein Schwätzchen hielt. Die berechtigte Frage meines Sohnes folgt dann per Fuß: »Wieso ist das heute so?«

Ich erkläre ihm dann, dass dies, warum die heutigen Mamas nicht mehr zu Hause, sondern ebenfalls als Werktätige und Steuerzahlerinnen unterwegs sind, vereinfacht formuliert zweierlei Gründen zu schulden ist:

1. In der Regel müssen mittlerweile beide Elternteile Geld verdienen, da ein einziges Gehalt schlicht und einfach nicht mehr für eine Familie ausreicht, da der Staat uns circa 75 % unseres Einkommens wegnimmt. Mein Sohn sagt dann immer, er fände den Staat blöd. Ich erzähle ihm dann, dass mein Vater damals noch als einfacher Handwerker genug verdiente, um ein Haus zu bauen, ein Auto zu kaufen (Leasing war damals ein Fremdwort) und mitsamt Kinder und Kegel eins bis zwei Mal im Jahr in Urlaub gefahren ist. Das alles mit einem Arbeitergehalt ohne Kredite. Urlaub und Auto wurden schlichtweg zusammengespart, da sich Sparen damals noch lohnte, ja sogar eine Tugend war und nicht einer schleichenden Enteignung einherging, von denen Otto-Normalbürger heute meist nichts mitbekommt.

2. erkläre ich ihm, – nein halt Stop! Das würde er noch nicht verstehen und so muss diese Erklärung nun in eine Fiktion münden.

Also erkläre ich ihm (nun fiktiv), dass die Mütter heute auch aus anderen Gründen der Lohnarbeit nachgehen (müssen).

Ich erzähle ihm, dass selbst in Familien mit ausreichender Liquidität, viele Mütter freiwillig einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, und sei es bloß als Callcenteragent für 7 Euro die Stunde Mindestlohn. Lieber Kasse Aldi als Hausfrau könnte das Motto lauten und das selbst dann, wenn die Würmer gerade erst das Krabbeln erlernt haben. Ich versuche zu erklären, dass viele Mütter einer Art gesellschaftlichem Druck ausgesetzt sind, ohne diesen tatsächlich als solchen wahrzunehmen. Da sie ihr ganzes Leben tagein und tagaus nie etwas anderes über die veröffentlichte Meinung gehört haben, was unter einer »modernen«, »selbstbewussten« und «befreiten« Frau zu verstehen sei, schwimmen sie eigentlich bloß mit dem Strom, selbst wenn dieser eventuell in einem Wasserfall mündet. Das sei heute halt so, sagen die Mütter und vertreten die Meinung, es handele sich um eine Erungenschaft der Gesellschaft sie (die Frau) aus den Fesseln ihres »Sklarvendaseins« und »Unterdrückte« ihres bösen und gewalttätigen Ehemannes befreit zu haben. Sie nennen das Emanzipation, erkläre ich meinem Sohn und dieser entgegnet, das sei ein ziemlich kompliziertes Wort. Ja richtig, stimme ich zu und ergänze, das sei meistens so, wenn etwas im großen und Ganzen Kacke sei und sich folglich mit einer schwergewichtig klingenden Worthülse kaschieren muss. Pflichtbewusst erkläre ich ihm aber auch, dass jede Mutter tun und lassen kann was sie für richtig befindet, und dass es nicht per se falsch oder gar schlecht ist, wenn Frauen oder Mütter einer Lohnarbeit nachgingen, und sie ihre Entscheidung pro Karriere günstigtenfalls ohne gesellschaftspolitische Oktroyierung treffen können sollten. Ich ergänze aber, dass ich es als abscheulich befinde, wenn eine seit Jahrtausenden bewährte familiäre Rolle (Oh Weh!, jetzt komme ich meinem armen Sohn mit »veralteten« Rollenbildern) inklusive deren Trägerin, ideologisch motiviert in den Schmutz gezogen, und im Grunde schon mit dem Attribut »rechtsradikal« oder im günstigsten Falle mit »rückständig« gebranntmarkt wird.

Ich berichte ferner, dass ich nur noch eine einzige Familie jungen bzw. mittleren Alters kenne, bei welcher die Frau bewusst zu Hause bleibt, um voll und ganz für ihr Kind da zu sein. Man könnte meinen, das wäre eine ritterliche Sache, doch diese Frau erntet leider überwiegend geringschätzige Blicke anderer Mütter und obendrein vorwurfsvolle Fragen, warum sie denn »nicht arbeiten« gehe. Interessant daran ist auch, dass sogenannte Hausfrauen für die meisten Leute heutzutage grundsätzlich »nicht arbeiten«. Sie sind quasi arbeitslos, willenlos an Herd und Waschmaschine gefesselt und Abends dann unfreiwillig Fickmaschine, denn nur richtig arbeitende Frauen haben Spaß am Sex. Oft wird dann gemunkelt, jene aussterbende Art von Müttern seien ggf. bloß zu arm, sich eine Kinderbetreuung zu leisten. Dies würde auch die Hysterie erklären, warum überall »sozial gerecht« nach noch mehr KITA-Plätzen geschrien wird. Ja tatsächlich, wird schreien uns die selige DDR wieder herbei. Angela Merkel ist sicherlich stolz darauf, das Lebenswerk von Margot Honecker im Westen etabliert zu haben.

Und so stand ich auch heute wieder vor meiner geliebten Packstation und bemerkte vor jener ein Artefakt aus anderen Zeiten, welches auf einem dazu unpassenden hässlichen Sockel stand. Es war ein Ornament aus Sandstein, vielleicht von einer Kirche oder einer Schule und erinnerte an Zeiten von Glanz, Reichtum und ästhetischer Verschwendung. An Zeiten, wo sich die Leute ihre Städte noch schön machten, ihre Kinder selbst erzogen, ihre Pakete zu Hause empfingen und selbst das nötige Kleingeld dazu hatten, gar Fabrikgebäude mit schmucken Steinmetzereien zu verzieren. Ein sinnbildlicher Kontrast zu den dahinter stehenden Schließfächern meiner Pakstation. Dennoch betrachten wir all dies, mitsamt unserer zubetonierten Welt als Fortschritt – mit, oder ohne Plattenbauten.

So sehen sie also aus, die »Zeichen des Sozialismus« und man könnte im Grunde eine Serie daraus machen. Wir schreiten also auf diesem Wege unentwegt voran und es bewahrheitet sich das, was ich vor ein paar Jahren noch belächelt habe, nämlich, dass den Sozialismus in seinem Lauf, weder Ochs noch Esel aufhalten. Da hatte er Recht behalten, der Erich. Vermutlich aber hätte es ihm nicht gefallen, dass jener sein Gesicht nicht mehr preiszugeben wagt und heuer unter falschem Namen daher schleicht.

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