Wahl in Frankreich: Wie extrem und wie rechts ist die Front National?

Niemand käme zu Recht ungescholten davon, würde er Roberto Blanko grundsätzlich immer mit dem Namenszusatz »Schwarze« oder »Neger« verwenden. Also: der Neger Roberto Blanko, der Schwarze Roberto Blanko. Das funktioniert natürlich auch bei anderen Extremen: Der Jude Michael Friedmann oder der behinderte Wolfgang Schäuble, etwa. Diese Namenszusätze dienen in den meisten Fällen ihrer Verwendung nur einem Zweck: Sie sollen abwerten. Es hat sowas verruchtes, abfälliges an sich. Der Schwule Klaus Wowereit und die Lesbe Alice Schwarzer. Der schwule Bürgermeister von Berlin hat die lesbische Frauenrechtlerin Alice Schwarzer auffordert … Diese Titulierungen sollen zudem psychologisch auf die Masse wirken. Der Leser oder Zuhörer soll auf diese Weise – quasi zwischen den Zeilen – eingetrichtert bekommen, dass es sich bei dem jeweiligen Titulierten um etwas schlechtes, böses, zu bekämpfendes, negativs, aussätziges handelt. Gehirnwäsche auf sanften Pfoten. Es soll ins Unterbewusstsein dringen.

So werden auch mit Vorliebe Politiker oder politische Richtungen, die abseits des Mainstreams stehen, entsprechend tituliert. Hier nun sind es die »Rechtspopulisten« oder gar die »Rechtsextremen« und wenn’s ganz böhse wird, die »Rechtsextremisten«. Verwendet für alles was rechts der Einheistspartei CDUSPDGRÜNELINKE steht. Der »Rechtspopulist« Geerd Wilders und die »rechtsextrteme« Marie Le Pen. Man liest in keiner deutschen Elitejournalie einen dieser beiden Namen ohne das entsprechende Etikett. Alle anderen Politiker benötigen das offenbar nicht. Linke Extreme scheint es offensichtlich gar nicht erst zu geben. Allenfalls die der RAF, aber das war ja immerhin schon Linksterrorismus. Die »linksextreme« Linkspartei oder der »linksextremistische« Jean-Luc Mélenchon von der französischen Linksfront? Fehlanzeige. Vermutlich liegt es daran, dass die linken Parteien nicht so weit rinks stehen wie die rechten lechts. Eine Ausnahme war lange Zeit Oskar Lafontaine, der immer als »Linkspopulist« beschimpft wurde. Doch dieses Eitkett ist völlig verschwunden.

Soweit dazu. Doch wie rechtsextrem ist die Front National denn nun? Der Kritisator hat ein wenig recherchiert.

Front National
Défendons nos couleurs

Nun hat man ja so seine geprägten Wertungen der Begriffe in Kopf. Wenn man sie nicht hinterfragt, ist und bleibt z.B. die Front Nationale rechtsextrem. Wie sieht es eigentlich aus mit Scientology? Als ich letzte Woche auf einem Konzert von Chic Corea war, Corea ist Scientologe, ertappte ich mich selbst über mein Bild über diese sog. Sekte. Aber habe ich jemals recherchiert um herauszufinden, was wirklich hinter Scientology steckt? Nein. Über die FN bisher eben so nicht. Und die für uns bewertende Qualitätspresse? Das Attribut gehört eben bei denen drangepappt, die nicht im gleichen Schritt marschieren. Bei »normalen« Parteien und Politikern braucht man das ja nicht. Oder heißt es etwa immer: Der gaullistische Sarkozy?

Klar vernimmt man auch mal »Sozialist François Hollande«, doch meist dient dies der Erklärung am Anfang eines Artikels oder Kommentars und ist keinesfalls abwertend gemeint. Im weiteren Verlauf des Textes belässt man es schlich bei der Namensnennung. Bei der rechtsextremen Frau Le Pen ist dies anders und sollte der Name 10 Mal im Artikel verwendet werden, das Etikket ist immer mit von der Partie. Es fehlt auch in keiner Überschrift. Anbei eine Übersicht unserer Qualitätsmedien bei der Berichterstattung über die FN:

SPIEGEL: rechtsextremen Front national, die Rechte, Rechtspopulistin Marine Le Pen …
FAZ: die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen, rechtsextremen Front National …
WELT: Rechtsextreme Frontfrau, die rechtsextreme Front National …
Süddeutsche: rechtsextremen Front National, rechtsextremen Anti-Europäerin Marine Le Pen …
ZEIT: Die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen …
Handelsblatt: die rechtsextreme Marine Le Pen …
Financial Times: Chefin der rechtsextremen Front National …
Tagesspiegel: die rechtsextreme Front National …
STERN: rechtsextremen Nationalen Front …
Frankfurter Rundschau: Die Rechtsextremen, Chefin des fremdenfeindlichen Front National (FN) …
Berliner Morgenpost: die Rechtsextremen …
FOCUS: der rechtsextremen Front-National-Chefin Marine Le Pen …
Tagesschau: rechtsextreme Marine Le Pen …

Nun, ganz aktuell heißt es überall (sinngemäß): Nikolas Sarkozy umgarnt rechtsextreme Wähler. Damit sind all jene gemeint, die der rechtsextremen Front National ihre rechtsextreme Stimme gegben haben. Es waren knapp 20 %. Das heißt also: 20 % der Franzosen sind rechtsextrem oder gar rechtsextremistisch. Man sollte sie alle in den Gulag schicken.

Programm der rechtsextremen Front Nationale

Werfen wird doch, weil der Vergleich nahe liegt, einen Blick auf unsere NPD. Ist diese rechtsextrem? Ich würde sagen ja, sieht man einmal von der unzulänglichen rechts/links-Begrifflichkeit ab. Die NPD ist völkisch und erkennt einen als deutsch nur an, wenn er biodeutsch ist. Das bildet eine große Schnittmenge mit der völkischen NSDAP. Insofern sind beide Parteien, also NPD und NSDAP rassistisch.

Wie steht es nun mit der Front National?

Mangels Französischkenntnisse habe ich mich insbesondere bei der eher linken Wikipedia umgeschaut, um die Programmpukte der FN herauszukristallisieren. Bei dieser Quelle kann man davon ausgehen, dass nichts gegen unsere Sinne geschönt ist. Also genau das richtige.

Marine Le Pen steht für eine Öffnung der Partei hin zu Demokratie und Laizismus und eine Abkehr von Rassismus und Antisemitismus. Von rechtsextremen Parteien wie der BNP oder der NPD hält die Partei Abstand und versucht sich als Kraft der rechten Mitte zu positionieren. Als Vorbilder werden die Alleanza Nazionale, die Partij voor de Vrijheid oder die United Kingdom Independence Party genannt. Ihr zentrales Thema ist dabei die Islamkritik und die Warnung vor einer „Islamisierung“ Frankreichs. Von Experten wird die Glaubwürdigkeit dieser Kehrtwende aber bezweifelt, da viele Parteimitglieder an alten Positionen festhalten. So soll die Partei auch für Einwanderer offenstehen, wenn diese ein Bekenntnis zur französischen Nation und zur Assimilation ablegen. [9]

Also: Abstand von BNP und NPD, islamkrtitisch und Bekenntnis zur französischen Nation. Würde ich voll und ganz unterschreiben. Was die sogenannten »Experten« bezweifeln, wollen wir nicht debattieren.

Weitere Punkte der FN sind:

  • Größere Unabhängigkeit von der Europäischen Union und anderen internationalen Organisationen
  • Einführung von Schutzzöllen (Protektionismus) zum Schutz der einheimischen Landwirtschaft und Industrie.
  • Rückkehr zu traditionellen Werten
  • in der Familie: Erschwerung der Abtreibung, Einführung eines Erziehungsgeldes, Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe.
  • in der Kunst: Ablehnung von „anormaler“ moderner Kunst und Förderung lokaler, traditioneller Kultur
  • für die Ausweitung des Staatseinflusses in Bildung, Wirtschaft und überall sonst, wo er nichts verloren hat.
  • antiamerikanisch

Drei Punkte scheinen verdächtig zu sein: »Erschwerung der Abtreibung« und »anormale Kunst«, keine »Homoehen«. Ersteres würde ich als konservativ bezeichnen, sie sind ja nicht strikt gegen die Abtreibung. Und wenn sie es doch wären? Wären sie dann rechtsextrem? Hier empfiehlt sich ein Vergleich: Die Eugenik der Nazis und die linksliberal akzeptierte Abtreibungspolitik (PID, Fruchtwasseruntersuchung, etc.) Ich kann keine großen Unterschiede erkennen. Nun zur Kunst. Von der Kunst wird zur Zeit viel staatlich geförderter Mist fabriziert, welchen ich durchaus ebenso als abartig, und nicht selten ideologisch eingefärbt betrachte und ablehne. Die FN lehnt solche Kunst auch ab, aber sie verbietet, bzw. »entartet« sie nicht und möchte eine andere Kunst fördern, so wie es andere umgekehrt sowieso schon machen. Davon abgesehen, hat sich der Staat aus der Kunst rauszuhalten und zwar zweierlei: Er sollte weder »fördern« noch verbieten. Nun noch die Homoehen. Ist das rechtsradikal? Aus heutiger, linksliberaler Sicht noch am ehesten. Doch bleiben wir gerecht, selbst in einer SPD in den 1980er Jahren noch, hätte niemand eine Homoehe gefordert.

Rechtsradikal würde ich diese Punkte also nicht bezeichnen, zumal die internationalen Linken die Kunst ebenso »gefördert« bzw. »abgeschafft« haben, siehe Stalin und Konsorten. Andererseits wurden Homosexuelle auf Kuba unter den Linken um Fidel Castro und Konsorten hingerichtet.

Bliebe noch die EU-Kritik und die Forderung nach Identität und Unabhängigkeit. Ein zentraler Punkt aller klassisch Liberalen und Freiheitsdenker und somit wiederum nicht rechtsradikal.

Die restlichen Punkte wie Protektionismus (Marktwirtschaft ist das nicht), Staatsbildung, Erziehungsgeld, etatistische Wirtschaftspolitik und Antiamerikanismus sind sowas von sozialistisch, dass einem rot vor Augen wird.

Ist die Front National nun also rechts? In Sinne von (teilweise) nicht-links, ja. Ist sie etwa auch links, weil sozialistische Züge? Ja, auf jeden Fall. Ist sie nun extrem? Wenn man den anderen politischen Einheitsbrei zum Vergleich nimmt, wenn überhaupt, vielleicht. Im extremsten Falle ist die FN also rechts-links-extrem und ich würde vorschlagen: Lassen wir diese dämlichen Titulierungen. Mir verraten sie nämlich nur noch, dass mit diesem rhetorischen Werkzeug bewußt versucht wird, etwas ins »rechte Licht« zu rücken, so lange es nicht konform zum linken Mainstream ist.

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