Werbung für Kleinkinder
Nicht dass ich es jetzt besonders auf die Werbung abegesehen hätte, da der vorletzte Artikel bereits von diesem Thema handelt. Doch was ich heute gesehen habe, unterbietet jeden Anstand. Offensichtlich von der doppelmoralischen Gesellschaft akzeptiert.
In der Karstadt-Passage in Saarbrücken sah ich ein Fahrzeug für Kinder. Schaukelautomaten oder Kiddy Rider heißen die Dinger. Diese Automaten, welche mit Geldmünzen gefüttert werden und die dann hin und her wackeln, gibt’s sicherlich schon seit 50 Jahren. Doch das Teil in der Passage war anders. Es war nach vorne, also zur imaginären Straße hin geschlossen. Statt nach vorne gucken zu können, war da ein Videoblidschirm. Nun könnte man annehmen, über das Video lief dann eine richtige Straße oder so, was bereits schlimm genug wäre. Doch denkste: Auf dem Videobildschirm lief nichts anderes als ein Werbefilm für Kinder. Es war Bob the Builder und entsprechend war auch das Fahrzeug selbst gebrandet. Wer in aller Welt denkt sich so einen Mist aus?
Als ich das sah, konnte ich es nicht fassen und ich hatte zudem nicht den Eindruck, dass die Mutter deren Kind gerade darin schaukelte, merkte, was für ein Spiel gespielt wird. Sie zahlte schön brav eine Runde nach der anderen. 50 Cent für circa eine Minute Werbefilm mit Echtzeitgewackel. Erlebniskino quasi. Rein marktwitschaftlich betrachtet ein geniales Konzept. Die Kleinkinder werden bereits früh für die Marke konditioniert und die Eltern zahlen sogar noch dafür. Was für eine Idee – Chapeau!
Ich bin ernsthaft am überlegen was ich dagegen unternehmen – und wohin ich mich mit meiner Ratlosigkeit wenden könnte. Im Grunde genommen passt dies ganz gut zu dem Beitrag über die Déboulonneurs. Man müsste das Ding mit zivilem Ungehorsam verunstalten. Ich frage mich auch ernsthaft, ob dies wirklich mit unserem Gesetz in Einklang zu bringn ist. Vielleicht hat nur noch nie jemand darüber geklagt?
Ich befürchte, es ist erst die Spitze des Eisberges und man darf gepannt sein, was Konzerne und Werbeindustrie noch so alles für uns und unsere Kinder auf Lager haben. Hier ist eindeutig die Politik gefragt. Aber ohne leere Phrasen, sondern eine mit Rückrad. Also kommt leider keine der momentan etablierten Parteien von Linke bis CDU in Frage. Dumm gelaufen. Bob freut’s aber.
Das Problem ist offensichtlich, jedenfalls für den reflektierenden Leser. Die Mutter im genannten Fall hat wohl andere Probleme und eben (vermeintlich) keine Wahl. In der Tat wäre hier die derzeit bestimmende Politik nicht der geignete Ansprechpartner. Der ist erstrebenswert und somit gut, was Umsätze bringt – egal welcher Mist!
So sehe ich das Angeführte vor Allem als Allegorie für das Versagen staatlicher Aufsichtspflicht gegenüber seinem Bürger. Momentmal, mag da mancher einwerfen – der ist schliesslich mündig! Eben nicht! antworte ich da und weise auf den Schaukelautomaten-Insassen. Und wenn Eltern ihrerseits bereits durch Schund und Klamauk, durch inobjektive Nachrichtengewichtung, etc „verschaukelt“ wurden, dann ist ihnen garnicht klar, in welche Gefahr sie ihre Schutzbefohlenen einsetzen oder welchen Gefahren sie diese aussetzen, indem sie ihnen unbedacht den Fernseher überlassen. Das geschah staatlicherseits nicht erst mit der Einführung des Privatfernsehens, sondern mit solchen Schwachsinns-Soaps wie Denver oder Dallas. Die beliebige Handhabung ethischer Begriffe, wie wir sie derzeit erleben, ist nicht zuletzt die offenkundige Grundhaltung derer, die genau das am stärksten inhaliert haben. Aufgrund eben dieser Enthemmung , hervorgerufen durch die klare Botschaft, dass in jedem Fall der Zweck die Mittel heilige, sehen wir uns gesamtgesellschaftlich den derzeitigen Verwerfungen bislang machtlos gegenüber gestellt.
Aufsichtspflicht hin oder her. Fragwürdig scheint mir der Zweck zu sein, welcher die Mittel heiligt. Die Frage nämlich ist, welchen Zweck man im Sinn hat. Das ganze könnte man nun weiter zwirbeln und nach Ursachen forschen. Diesebezüglich bin ich immer schnell bei der Kultur. Als Kulturtreibender Anfang der 90er bekam ich die dortigen Kürzungen bereits zu spüren. Das ist ein Thema an dem Politiker in völligem Gehirnvakuum agieren. Doch nur die Kultur mag den Menschen bilden und formen. Doch die wird entweder beschnitten, verwässert oder verkommt zum Event – und dann sind wir wieder bei Meese.
Eine passende Sache trug sich kürzlich zu, als die hochkultivierten FDP-Oberen Westerwelle und Niebel sich gegenseitig ob der vielen Goethe-Institute in der Dritten Welt damit brüsteten, noch niemals Goethe gelesen zu haben. Leider in den Mainstream-Medien nicht zu lesen. Siehe DLF: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1333420/
Also Geld sparen und die Wirtschaft (wohlgemerkt vordergründig kurzfristig) »unterstützen« und Kinder mit Werbung verblöden. Es gibt kein Mittel gegen diesen Zweck.
Und ich habe heute versäumt, meinem kleinen Sohn die Mondfinsternis zu zeigen und das ärgert mich maßlos. Noch dümmer ist, dass ich das bereits gestern glaubte …
Ich sehe es schon, unsere Anschauungen sind auch bei diesem Thema nicht allzu kontrovers. Ich möchte Sie daher auf den aktuellen (17.6.2011) Artikel „Guttenberg, Koch-Mehrin, to be contiued…“ auf Jens Bergers blog SPIEGELFECHTER aufmerksam machen, falls Sie dieses blog nicht ohnehin schon kennen und verfolgen. Einfach herrlich das! Und zudem sehr passend zu Ihrer Anmerkung über die „hochkultivierten“ FDP-Oberen Westerwelle und Niebel.
Ja, „Arbeit muss sich wieder lohnen“. Das Plakat mit der Mehring ihrem Gesicht drauf, kannte ich gar nicht. Den Spiegelfechter hab‘ ich aus den Augen verloren. Das Niveau ist hoch, von den Autoren bis hin zu den Kommentatoren. Doch dieser Eindruck half nicht darüber hinweg, dass letztendlich unterm Strich die gleiche intellektuell verschwurbelte Gutmenschsoße herausquillt und wie der Spiegelfechter ja selber schreibt, dass „Wer in seiner Jugend nicht links denkt, hat kein Herz und wer im Alter immer noch links denkt, hat keinen Verstand“ … da fühle ich mich wieder angesprochen.
Interessant scheint mir trotz alledem (noch nicht gelesen) der erwähnte Aufsatz von Oskar Lafontaine zu sein. Wirtschaftspolitisch – sofern ein paar Deppen nicht den uns bekannten Sozialismaus wieder einführen wollen – ist Die Linke nach wie vor eine politische Hausnummer, zumindest geistiges Gegengewicht zum restlichen finanzkapitalistischen Einheitsbrei.
Die Moral der Geschicht‘; man muss doch alles lesen: von den Linken, von den Rechten, von den Schwarzen, von den Weißen – aber nicht mehr die gleichgeschaltete Einheitspresse von taz bis Welt. Insofern nehme ich mir den Spiegelfechter samt seiner Empfehlungen anderer Blogs nochmals unter die Lupe, denn meine bescheidene wie einseitige Blogrolle will ich schon die ganze Zeit vergrößern und gleichwohl pluralisieren.
Danke für den Tipp.
Gerne doch. Was nun das , wie ich beipflichten kann „hohe Niveau“ der Autoren bis hin zu den Kommentatoren anbelangt, ist es immer wieder umso erschütternder, wie unreflektiert da teilweise von manchen relativiert wird. Das hatten wir auch schon in der Diskussion um die Steuer CDs. Es muss doch jedem klar sein, dass es eine persönliche Entscheidung und zwar hin zu einer Straftat ist, ob einer Steuern hinterzieht oder nicht. Dass das ungeachtet dessen, dass so manch einer bei der Kilometerpauschale schummelt (was dieselbe Straftat ist, aber eben adäqut zu bestrafen ist) eine Starftat bleibt, wurde seinerzeit von manchem mit dem Verweis, es täten doch alle, ebenso relativiert, wie jetzt daran erinnert wied, dass so manch einer in der Schule abgeschrieben habe. Dass seinerzeit aber der Quellennachweis aus Not nicht unter die Klausur gesetzt wurde, zeigt den Unterschied zum Plagiat deutlich. Da wollte einer zum Nachweis des Genügens obend’rein ein summa cum laude.
Das sei, so argumentiert der eine oder andere, schliesslich nachvollziehbar. Derselbe hält wie man sah, ja auch die Steuerhinterziehung für zivilen Ungehorsam. Nur dass man nichtgezahlte Steuern nicht auch noch senken kann, weil die die sie zahlen, ohne zu murren , wenn auch zähneknirschend, den Fehlanteil ausgleichen müssen, ist ein Spagat mit gekreuzten Fingern, wie ihn nur ein FDP Justizminister wie seinerzeit ein Ulrich Goll (BaWü) inder Frage der Legitimität des Datenkaufs zuwege bringen konnte.
Was nun die LINKE anbelangt, ist sie in der Tat eine Hausnummer! Und zwar nach dem Wort, dass die Axt im Hause den Zimmermann erspart. Der nämlich fiel ohnedies nach dem Zusammenbruch des Sovietimperiums als Gegenentwurf weg. Hatte man sich bis dahin noch seinetwegen menschenfreundlich geben müssen, zeigte sich hernach bald die hässliche Fratze dummdreister Gier. So gehört die Axt eben unbedingt in den Bundestag. Nur so lassen sich die wildwuchernden Parteispitzen der Etablierten stutzen. Man würde sich bei denen auf eine kultiviertere Gestaltung der politischen Landschaft zurückbesinnen müssen. Aufrichtige, integre Konservative, die im Begriff sind politisch heimatlos zu werden, hätten da allen Grund zur Dankbarkeit.
Und das ist der springende Punkt. Denn genau dort beginnt die Problematik und mir scheint, als tummele sich die überwiegende Mehrheit dieser Klientel auch beim Spiegelfechter herum. Bleiben wir doch noch eine Weile beim SF. Doch warum ein so »harmloses« Thema anführen? Ich las die unendlich lange Kommentarliste (da kann ich nur neidisch sein, offensichtlich bin ich nicht monothematisch genug) mehrerer Artikel durch. Insbesondere beim Artikel über die Causa Sarrazin stolperte ich über die immergleichen dämlichen Argumente. Binnen weniger Kommantare war man beim Thema Islam angelangt und schon ging’s los mit dem Kulturrelativismus à la »Der Hiter hat sich auf das Christentum berufen«, sodass mir die weitere Leselust vergangen ist.
Aber was heißt Relativismus, nein, es gehört zum guten Ton der Linksintellektuellen die eigene Kultur (die besteht ja nur aus 12 Jahren Nazidiktatur) nicht nur zu relativieren, sondern herabzusetzen. Das Schema ist immer gleich: Selbstkritik (was ja im Grunde eine christliche Tugend ist) = Kein Nazi = Guter Mensch. Doch nicht nur die deutsche, sondern wenn schon, dann die abendländische relativieren. Was diese betrifft so weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die kulturelle Sublimation der meisten Protagonisten nicht (wenn überhaupt) über Bob Dylan oder die Dead Kennedys hinaus reicht. Ich muss nicht erwähnen, wie ebenso eifrig die Kommentatoren in den einschlägigen Artikeln darum bemüht waren, die Kultur (Religion) des Morgenlandes schönzufärben oder gewisse Vorteile an den Haaren herbeizuziehen. Dieser Standpukt, dieses Dogma gehört nun schon so felsenfest zum politischen Diskurs, dass selbst die Kassierein im Aldi es wie Muttermilch zum besten gibt. Auch das Thema »Gender« wird in diesem Milieu immer beliebter und bevor mir selbst der Penis mutiert, sehe ich mich gezwungen, demnächst etwas über diesen zwanghaften Relativismus schreiben zu müssen.
Also nix mit Erweiterung meiner Blogrolle. Schließlich bin ich bemüht ein Gegengewicht zu bilden; selbst wenn’s weh tut.
Nun kann ja wohl der SF, sprich Jens Berger nichts für die Anschauungen seiner Kommentatoren. Nur wenn’s ihm zu bunt wird, setzt er hier und da mit einer durchweg vernünftigen Gegen-Argumentation an. Man darf auch nicht übersehen, dass es dem einen oder anderen Diskussionsteilnehmer zwar gewöhnlich nicht am Intellekt gebricht, es bei ihm gleichwohl an Lebenserfahrung mangeln kann. Was nun die angeführte Causa Sarrazin anbelangt, muss man durch genügenden Abstand realisieren, dass auf jeden Fall an der Angelegenheit ein Unbehagen haftet, das schlicht schwer zu fassen, den meisten unmöglich zu formulieren zu sein scheint. Es ist ja nicht so, dass es keine Probleme gäbe, allerdings trat jener ehemalige Bundesbanker mit seinem Traktat zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit, als man landauf, landab, nach den Verantwortlichen für die Wirtschaftskrise suchte. Man mag das als Instinktlosigkeit ansehen oder so, wie ich im Übrigen auch, als bodenlose berechnende Infamie. Wie dem auch sei, den SPIEGELFECHTER kann man m.E. durchaus in einer Blogrolle führen, so man eine anbietet.