Kunst: Pissen mit Dolce & Afghaner in Wien
Der Name ist halbwegs witzig: Dolce & Afghaner. Dahinter steckt ein Künstlerduo, welches brandaktuell in Wien eine Pärformenz mit dem Namen »HAMAM statt DAHAM« begeht und für Aufsehen, ja Aufregung gesorgt hat. Ein Jonathan Meese würde sicherlich vor Neid erblassen …
Grob beschreiben lässt sich das Kunstwerk folgendermaßen:
Die zwei Künstler D&G agieren mit Schwert um die Hüfte vor der Karlskirche in Wien mit affigen Verrenkungen unter der Begleitung mehrerer Frauen und Männer. Alle sind in ritterzeitlichen Fummel gehüllt. Zwei der Frauen sind vermummt und nehmen – soweit dies anatomisch möglich ist – ihre Muschi aus der Hose und pinkeln in das Wasserbecken vor der Kirche.
Im Manifest zur Aktion liest man unter anderem:
Wien ist anders und Vielfalt sei so wichtig? Wir scheißen auf Vielfalt! Uns können transnationale Banker und Chefs genauso gestohlen bleiben wie die hiesigen. Mit diesen Terroristen, wird nicht verhandelt. Auch nicht mit den Millionären und ArbeiterInnen- Verrätern der FPÖ. Hate, Love & Money gehen über Grenzen, warum nicht wir und ihr? Klar ist doch, egal ob aus Kabul, Mostar oder vom anderen Ufer: Wer hier ist, ist von hier – und rüber wollen wir auch. Verhandlungen gibt’ s erst danach. Wir leben in SimmeRingmyBell und im X., the Favourite, auf der Mazzes-Insel und im Neubau. Hier lernt man noch immer in der Schule die Legende, dass die Österreich-Fahne von Leopold V. stammt. Beim dritten christlichen Kreuzzug schlachtete er so viele Moslems, dass seine weiße Kutte ganz rot vom Moslemblut war. Als er den Gürtel abnahm, entdeckte er einen Streifen sauberes Weiss. Hear YU GO, und die Österreich-Fahne war geboren. Fuck that! Das ist nicht Österreich, das ist Scheisse. Auf so ’ne Story und so ’ne Fahne kann man nur pissen.
Soweit so gut. Der Geschichtsbeflissene weiß natürlich um die Legende des weißen Ledermantels und die Entstehung der blutigen Flagge. Schön, dass das hier einmal kritisch angemerkt wird, schließlich waren die Österreicher immer schon etwas lasch mit der Vergangenheitsbewältigung im Vergleich zu ihren Brüdern im Norden. Auch gut, dass neben dem eigenen Kulturpessimismus nun endlich einmal aktiv den Moslems der Ball der Kreuzritter von eigener Seite aus zugespielt wird. Appeasement ist eben nicht alles was man tun kann. Die Selbstkritik des Westens ist gefragt. Man will mit dieser Aktion, so das Werkstätten- und Kulturhaus (WUK) welches die Aktion beherbergt, gegen die »rechtspopulistische« FPÖ und deren Islam-Hetze anstinken. Die Frage ist, ob man damit der FPÖ nicht eher einen Dienst erweist. Schau’mer mal.
Zurück jedoch zur Kunst. Nun soll Kunst ja durchaus provozieren, zum Denken anregen und gegen Konventionen verstoßen. Ein Schiller tat dies schon in Don Carlos um gegen den Feudalismus zu Felde zu ziehen. Dieses ungeschriebene Gesetz der Provokation gilt natürlich auch heute noch. Was allerdiungs heute fehlt, ist das gesellschaftliche Korrektiv, zumindest ein bewertendes. Als Strawinskys Sarce 1913 uraufgeführt wurde buhte das Publikum, warf mit Tomaten und Eiern und miaute zur Musik. Das Publikum hatte mit seinem Urteil unrecht, aber dennoch heiße ich es für gut, dass es das getan hat; selbst wenn man ihm in der Retrospektive Unverständnis oder gar Banausentum vorwerfen kann. Und genau da steckt das Schwert: Aus der Vergangenheit hat das Publikum (auch Kritiker zähle ich dazu) »gelernt« und wagt sich nun nicht mehr, seinen Unmut zu äußern. Lieber drescht es pseudokennerische Phrasen herunter und lässt sich alles gefallen, als dass es sich dem Risiko aussetzt, als Hinterweltler oder Spießer bezeichnet zu werden. Das ist aber ein Problem. Das Publikum traut sich einerseits kein Urteil mehr zu und ist so andererseits auch der Kunst gegenüber nicht hilfreich. Ich will nicht sagen korrigierend, aber es dient weder als Latte des Anspruchs an dem sich die Kunst messen könnte, noch als Spiegel ihrer selbst. Also wertes Publikum. Trau dich! Sagt einfach: Fuck that! Das ist not the Kunst, das ist Scheisse, man!
Andererseites gibt es ja auch Kunst, die es zu pflegen gilt. Um somit wieder die Kurve zur Politik zu kriegen: da sieht es finster aus. Europaweit. In Prag werden die beiden Traditionshäuser, die Prager Staatsoper, ehemals Neues Deutsches Theater, und das Tschechisches Nationaltheater zusammengelegt. Überall in Europa, bis in die Provinzen hinein werden Orchester fusioniert, Theater geschlossen und wo es geht, an der Kultur gespart. Doch andererseits werden für offensichtlich politische Zwecke solche Projekte subventioniert. Der Etat des WUK beträgt 1,3 Millionen Euro pro Jahr.
Jetzt kann man in diesem Falle die Frage stellen, ob es sich hierbei überhaupt noch um Kunst handelt, oder ob es nur eine als Kunst getarnete politische Aktion ist. Es ist wohl eher ein Konglomerat und es ist von Seiten der Politik Missbrauch an der Kunst, wenn milieunahe Projekte unterstützt werden und andere wiederum verdorren müssen. Im Sozialistischen Realismus unter Stalin jedenfalls, wurde die Kunst vollständig »assimiliert«. Sie sollte, wenn die Idealform erreicht ist, gar nicht mehr notwendig sein, da dann der Endzustand, das »absolute Glück« auch ohne Kunst erreicht sei. Zum Glück kam es nie dazu.
DEJAN:
Dolce & Afghaner haben gesagt, ich soll bei einer sozialen Plastik mitmachen, Visuelle Kultur, Performance, Intervention und so. Das ist doch Deleuze in Dosen, da ist mir persönlich ein windiger Foucault-Hila lieber. Letztlich ist mir das alles Banane:I did it for the moeney.
Zu Glück aber gibt es in Europa die Meinungsfreiheit; zumindest, wenn man die »richtigen« Themen wählt. Wenn nun dem vermeintlichen Österreicher eines Tages in Afghanistan eine Kirche namens Leopold V. zu erbauen erlaubt ist und er mit seiner Künstlertruppe von zweien seiner Mädchen vor eine Moschee pinkeln lassen kann und das Endergebnis in ganz Kabul plakatieren darf mit: „Fuck that! Das ist not Afghanistan, das ist Scheisse“, dann schaue ich mir das sogar freiwillig an; wenn die Mädesls hübsch sind.
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