Breivik und die Propaganda – Eine Gegenanalyse bei Freie Wähler Frankfurt

Joseph Goebbels
Meister der Propaganda

Liest man die gängige Presse von FAZ über ZEIT bis taz, so fühlt man sich des öfteren eines verbotenen Gedankens ertappt. Es dauert, bis man dahinter steigt woher diese Umstände rühren; doch das ist ein anderes Thema.

Insbesondere bei heiklen Themen wie dem Massaker des Breivik, sollen, bei »falscher« Meinung, sowas wie Schuldgefühle projiziert werden – wenn man es unreflektiert auf sich wirken lässt. Da es dank Internet glücklicherweise alternatve Meinungs- und Informationsquellen gibt, steht einer pluralistischeren Meinungsbildung nun nichts mehr im Wege und so gab es neben den Einheitsdenkformeln auch viele lesenswerte Kommentare und Analysen freier Autoren zu diesem Thema. Nichts davon aber erscheint mir tiefgründiger als der Aufsatz von Andreas Kämmerer, eine hintergründige Analyse welche den effektivsten Propagandafeldzug seit Goebbels, die Politische Korrektheit nämlich, in ihrem Kern entlarvt.

Der Artikel erschien am 5. August 2011 auf der Webseite der Freie Wähler Frankfurt:

Der lange Arm des Teufels – oder das Unerklärbare erklären

1. Das Unfassbare anfassen

In Norwegen wird geprüft, ob das unfassbare Verbrechen von Anders Breivik die Tat eines Wahnsinnigen ist; gleichzeitig wird darüber nachgedacht, ob das höchstmögliche Strafmaß von 21 Jahren nicht auf 30 Jahre erweitert werden soll, indem Breivik eines politischen Verbrechens (und pikanterweise dann einer explizit vernunftsgesteuerten Tat) gegen die Menschlichkeit überführt werden kann. Ungeachtet der Erwägung, ob bei einer derartig unglaublichen Tat die Sühne in quantitativen Kategorien gesteigert werden kann, stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Warum: Ohne eine zureichende Erklärung für Breiviks Motive ist weder eine abschließende Trauerarbeit der zahlreichen Hinterbliebenen möglich, noch können in der Zukunft weitere Schreckensszenarien ausgeschlossen werden. Daher gebietet es in zumindest zweifacher Hinsicht die Vernunft, um das Blutbad von Breivik keinen tabuisierenden oder stigmatisierenden Bogen zu ziehen, sondern das Interesse auf die Mitte möglicher Gründe zu fokussieren.

Hierzu offenbart Breiviks Bekennerschreiben „2083“ auf ca. 1500 Seiten eine Gedankenwelt, die seine Motivation auf eine beklemmende Weise fassbar macht, ohne auch nur im Ansatz eine Entschuldigung anbieten zu können. Ganz im Gegenteil spannt Breivik einen gedanklichen Bogen auf, der unsere gewöhnte Ethik in unerreichbare Ferne rückt: Breivik entschuldigt sich nicht, denn er sieht sich außerhalb sozialer Maßstäbe. Eine Beschäftigung mit Breiviks Motiven bietet somit Erklärungsansätze und festigt seine uneingeschränkte Verantwortung.

2. Blutiger Horror ohne Altersbeschränkung

Anders Breivik, 32 Jahre alt, tötete fast 70 junge Menschen auf entsetzliche Art und Weise. Dabei schockierte gerade die Durchführung der Tat fast mehr, als die hohe Anzahl der Opfer: kaltblütig, mit ruhigen, auf seine flüchtenden Opfer zielenden Händen erlegte er jagend jene „Subjekte“, die er als „Kulturmarxisten“ und „Multikulturalisten“ zuvor zum Freiwild erklärt hatte. Auf einem Abzeichen seines Kampfanzuges konnte die Welt lesen: „Marxist-Hunter Norwegen – Erlaubnis zur Jagd auf Multikultiverräter“ – ein abartiges Augenschmunzeln vor der systematischen Auffindung und Erschießung von jungen Frauen und Männern im Sekundentakt; auf einer kleinen Insel, die eine rettende Flucht unmöglich machte. Ein schlimmerer Anschlag gegen die Grundsubstanz unserer Gesellschaft, des Sozialen, ist kaum vorstellbar.

Die Körper der Opfer waren noch nicht erkaltet, als in Deutschland interessierte Kreise in kaum zu überbietender Pietätlosigkeit öffentlich verlautbaren ließen, nicht Anders Breivik, sondern die in merkwürdige Sippenhaft genommenen heterogenen Milieus von Rechtspopulisten, Islamkritiker, christliche Fundamentalisten seien die eigentlichen Schuldigen, da jene Gruppen – so die gedankliche Hinführung – ein Klima des Hasses, der Menschenverachtung, der Ausgrenzung geschaffen haben; kurzum, jene veröffentlichte Meinungs-Saat des Bösen habe den Amokläufer durch eine Art amoralische Medienwirkung quasi automatisch zu seiner Tat getrieben: Der 32-jährige Anders Breivik sei nur eine Art blindes ausführendes Organ, sozusagen der lange Arm des Teufels.
In diese Kerbe einer auf breiten Basis inszenierten Hexenjagd schlugen in den letzten Tagen immer mehr Meinungsäußerungen in Print- und Onlinemedien, sodass mittlerweile eine breite Schneise der ideologischen Intoleranz in den publizistischen Blätterwald geschlagen wurde. Von Gabriel (SPD) über Claudia Roth (Grüne) bis Rita Süßmuth (CDU), aber auch die CSU und Linke nebst diversen Pseudowissenschaftlern, quer durch das Parteienspektrum reichte die Hatz, dem „Teufel“ für das Norwegenmassaker deutsche Rechtspopulismuswurzeln zuzuschreiben und ihn als einen germanisierten Kulturnazi zu dämonisieren.

Und als wären nicht ernsthaft 74 reale Opfer in Norwegen/Oslo zu beklagen gewesen, war in der deutschen Führerkaste der Political Correctness keine Plattitüde zu abgeschmackt („Sumpf mit schrecklichen Blüten“) und keine Schuldzuweisung zu lächerlich (Sarrazins Mitschuld), und keine Lüge zu verkommen („Political Correctness ist gesellschaftliche Toleranz“, DER SPIEGEL) um nicht die Wurzel des Bösen in aller Welt schlechthin in Deutschland zu verorten und somit weiterhin aus dem schmalen Kapitel deutscher Geschichte der Jahre 1933-1945 auch den letzten Tropfen braun gefärbter Schwärze für die Druckmaschinen der öffentlichen Indoktrination im Namen der Political Correctness in das Schuldgewissen jedes Deutschen pressen zu können.

3. Paradoxon des Bösen

In der mathematischen Theorie der Mengenlehre lautet ein berühmtes Paradoxon, „die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Menge enthalten dürfen“. Der Kern des Problems lautet, dass ein bestimmter Zustand nur dann zustande kommen kann, wenn er nicht zustande kommt – widersprüchlicher kann eine Aussage nicht sein. Dennoch war die Aufgabenstellung mathematisch korrekt formuliert, war zur damaligen Zeit des beginnenden 20.Jahrhunderts unlösbar und stürzte u.a. einen berühmten Deutschen Mathematiker in eine Sinnkrise. Die Mathematik verbot die Fragestellung und „löste“ das Problem durch Nichtbehandlung: Die Frage durfte einfach so nicht mehr gestellt werden.

Der schreckliche Fall von Anders Breivik stellt einen bestimmten Teil der herrschenden politischen Klasse vor eine ähnliche paradoxe Problemstellung. Denn wenn jene Klasse der politisch Korrekten eine Antwort finden wollen, welche Motive Breivik zu seinen Taten getrieben haben, müssen sie sich mit bestimmten Aussagen beschäftigen, die in seinem Manifest 2083 aufgeführt sind. Im ersten Kapitel, als erste substanzielle Aussage der folgenden 1500 Seiten, beschreibt Breivik dabei die Mechanismen der sogenannten Political Correctness (pc) als eine der wichtigsten Motivationen für die Notwendigkeit seiner Handlungsweise. Möchte man also Breiviks Handlungsweise einen kausalen Ort in dieser Welt zuweisen, dann muss man die Kritik Breiviks an der Political Correctness Ernst nehmen. Ernst nehmen kann man die Kritik an der Political Correctness aber nur, wenn man keine Political Correctness mehr betreibt. Das Paradoxon ist somit perfekt: Ignorieren die Systemmedien der Herrschenden die Kritik der Political Correctness, dann betreiben sie weiter pc und bestätigen Breiviks Analyse und Kritik. Lassen sich die Systemmedien jedoch auf die Kritik der PC ein, dann müssten sie sich selbst politisch „unkorrekt“ verhalten und somit eine Mitverantwortung für die Taten Breiviks in der Vergangenheit tragen. Durch diese paradoxe Situation ist zu verstehen, dass die geballte Bildungs- und Kulturelite Deutschlands, die veröffentlicht wird und somit den Kriterien der PC genügt, mit aller Intelligenz und Macht und Möglichkeiten an der Analyse der Taten Breiviks kein wahrhaftes Interesse zu haben scheinen: Weil das eigene Versagen nicht zum Thema werden kann im Kontext der vielen Toten, dürfen die wahren Ursachen nicht zur Sprache kommen und die Toten wie die Angehörigen werden nicht zur Ruhe kommen.

Anders jedoch als in der theoretischen Mathematik kommt die reale Welt bei dem blutigen Fall Breivik mit einem dogmatischen Abbruch des Begründungsverfahrens in Teufels Küche: Ignoriert das System die Kritik Breiviks an der pc, wird die Bombe in Breiviks Text erst scharf gestellt. Die Ignoranz des Systems würde Breivik in seiner Rolle als Opfer der Political Correctness Recht geben und seine Wirkung in der Welt potenzieren: Breiviks Text zu ignorieren, hieße also, seinen Taten eine moralische Rechtfertigung zu geben und ihn theoretisch wie virtuell zu vervielfältigen.

Das deutsche Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL zeigt in seiner aktuellen Ausgabe 31/2011 exemplarisch, wie weit jene SchreibtischtäterInnen der Political Correctness das Denken der Menschen unterdrücken wollen – sie definieren Political Correctness als eine „politisch korrekte gesellschaftliche Toleranz“ und somit explizit als das Gegenteil dessen, was pc ist, nämlich gesellschaftspolitische Intoleranz bis hin zur sozialen Hinrichtung des zum öffentlichen Freiwild erklärten ideologischen Gegners. Und weiterhin unterdrücken fast 20 RedakteurInnen ein Thema: die antidemokratische Gewalt der Political Correctness – eine Analyse von Breivik findet im Themenheft des Breivik-Attentats daher einfach nicht statt. DER SPIEGEL hat somit an den Selektionsrampen des Agenda-Settings den Weg zu weitere Exzessen politisch korrekt geebnet, die Hatz auf Andersdenkenden darf weitergehen, die sozialen Steinigung beginnen, rücksichtslos, bis der publizistische Mob seine Opfer im öffentlichen Diskurs vernichtet hat. Die ersten Opfer: Demokratisch gesonnene Menschenrechtler, die die Unmenschlichkeit des totalitären Islam thematisieren und im Ergebnis als „rechtspopulistisch“ in die soziale Nazi-Ecke gestellt werden.

Es ist der Intelligenz Breiviks durchaus zu unterstellen, dass er jenes Kalkül bewusst inszenierte, hoffend, dass eine Tabuisierung und Stigmatisierung seines Manifestes die Wirkung weltweit potenzieren würde. Folgerichtig kopierte Breivik an den Anfang seines Bekennerschreibens jenen Text über die Political Correctness, der das gesamte politische System am nachhaltigsten zu destabilisieren in der Lage war: die Frage nach der demokratischen Legitimierung eines Staates in Zeiten einer ideologischer Intoleranz öffentlicher Medien (via pc).

Doch erst ein analytischer Blick unter die begriffliche Tarnkappe der Political Correctness zeigt ihre antidemokratische Potenz im Detail und lässt verstehen, dass die viel beschworene offene Gesellschaft in Zeiten des kritischen Rationalismus einen Feind ganz besonders zu fürchten hat: die „Politisch Korrekten“.

4. Political Correctness I: Implosion des Denkens

Unter der völlig sinnentstellenden Hülle der „Politischen Korrektheit“ (PC) steckt die Prämisse, dass bestimmte Gedanken und deren Ausdruck durch Worte nicht gesellschaftsfähig seien. Und diese Asozialität bestimmter Gedanken und deren begriffliche Formwerdung leiten die Vertreter der Political Correctness aus einer weiteren Prämisse ab, die jedoch tunlichst vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten wird: nämlich, dass das bloße Denken über bestimmte Themen, Ideen und Begriffe die Menschen regelrecht „vergiften“, sodass in der Folge, die Demokratie oder die Unverletzbarkeit bestimmter Menschen oder Gruppen gefährdet sei. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Vertreter von Political Correctness das Volk und seine Bürger als unfähig ansehen, vernünftige Gedanken zu hegen und vernünftige Schlüsse zu ziehen. Daher muss, so die PC-Vertreter, das Volk geschützt werden, nicht die falschen Gedanken und Schlüsse zu ziehen.

Folgerichtig müssen die unmündigen Bürger auch über die wahren Ziele getäuscht werden, und so bezeichnet sich die Political Correctness in ihrer Wortbedeutung als eine „korrekte Politik“, also ein Verhalten, das in Ordnung geht. PC weist sich somit fälschlicherweise die positive Eigenbewertung zu, die richtige, korrekte politische Meinung zu bestimmen, die jene Linie definieren muss, die im öffentlichen Diskurs nicht überschritten werden darf.

Abgesehen davon, dass es alles andere als korrekt ist, fremdes Denken reglementieren zu wollen, und jene Anmaßung der Fremdkontrolle auch noch mit der Unverschämtheit zu begründen, alle Anderen hätten nicht die moralische und ethische Handlungskompetenz, frei entscheiden zu können, erzeugt PC darüber hinaus in der öffentlichen Kommunikation Codes des „sprachlichen Benehmens“, also eine begriffliche Stimmung sozialer Denkkontrolle, die jeden Bürger zu einem willfährigen Spitzel degradiert und somit eine allgemeine Angst vor der öffentlichen Meinungsäußerung zur Folge hat.

5. Political Correctness II: Angst vor dem Denken

Wer aber Angst haben muss, das Falsche zu sagen, muss mit einer weitreichenden Folge leben: Das Denken an sich wird unterdrückt. Denn: Wer glaubt, nur noch „DAS Richtige“ sagen zu dürfen, DAS Richtige denken zu dürfen, denkt bald immer weniger. Der Grund: Das sogenannte „Richtige“ ist erst das Ergebnis eines Denkprozesses, wer das „Richtige“ jedoch präjudizieren will, und somit zwangsläufig bestimmte Schlussfolgerungen, Themen und Begriffe aus dem Denken ausschließen muss, begrenzt das Denken, macht es unfrei und hebt es prinzipiell auf: Die Bestrafung des Denkens behindert den Denkapparat bis zur Bewegungslosigkeit. Dabei ist es unwesentlich, wie viele oder welche Gedanken oder Begriffe verboten werden. Die Tatsache alleine, dass das Denken sich selbst zwingen soll, bestimmte Begriffe nicht zu denken, das Denken also denken soll, auch nicht denken zu sollen, führt in seiner grundlegenden Widersprüchlichkeit zu einer Dysfunktion und Lähmung des Denkens.

6. Political Correctness III: Korrumpierte Demokratie

Demokratie als Herrschaftsform delegiert die Realisierung von Mehrheitsentscheidungen in die Hände Weniger. Vor der Abgabe der Macht an die Regierung, vor der Abstimmung für oder wider politischer Interessenvertreter, steht die umfassende, allgemeine, zureichende und notwendige Information und öffentliche Diskussion ALLER politisch relevanter Themen und Inhalte. VOR der Selbstentmachtung des Volkes, vor der Wahl, kommt daher der objektiven und bewertungsfreien politischen Berichterstattung ein Absolutheitsanspruch zu. Eine Öffentlichkeit aber, die bestimmte Themen und Gedanken tabuisiert, sie dem freien Denken entzieht, kann niemals eine gültige Grundlage für eine demokratische Selbstentmachtung des Volkes sein.

Political Correctness betreibt aber genau dies: Sie zerstört die Grundlagen jeder Demokratie, indem sie ideologische Intoleranz im verlogenen Deckmäntelchen sogenannter Antidiskriminierung betreibt. Political Correctness zielt auf Gedankenkontrolle ab, auf Zensur und ist somit ein antirationales Tool zur Zementierung nicht-mehrheitsfähiger Themen. Political Correctness diskriminiert unliebsame Gedanken zum Undenkbaren, stößt Andersdenkende aus der sozialen Gemeinschaft aus, und sorgt auf diesem Wege zu einem Klima der Angst, der Lüge, des Verrates, sodass eine offene und öffentliche Meinungsbildung als Grundbedingung einer Demokratie verhindert wird.

Daher diente das erste Kapitel des Manifest Breiviks, seine Meinung über den Status der Demokratie in Norwegen und im Rest der westlichen Welt darzulegen, und dem Mediensystem eine Falle zu stellen: Demokratie kann es für Breivik aufgrund der Political Correctness im Ergebnis der öffentlichen Kommunikation nicht mehr geben und folgerichtig würde das undemokratische System seine Kritik an der Political Correctness verschweigen. Und ohne demokratische Meinungspluralität glaubte Breivik (der sein ganzes Leben lang in einer sozialistischen Gesellschaft lernte, dass das Soziale, die Gemeinschaft, wie ein Gott über allen Werten steht), jenen Boden unter den Füßen verloren zu haben, um sich erfolgreich gegen den demografischen Wandel und den Werte- und Kulturrelativismus auf demokratische Weise in Norwegen wehren zu können. Dermaßen als Individuum der sozialen Leitkultur beraubt, stellte sich für Breivik die Frage nach sozialem Handeln gänzlich anders: Das Unerklärbare, das unentschuldbare Grauen wird somit auf eine besondere Art nachvollziehbar.

7. Im Auge des Zyklons: Asozialität gegen das Asoziale

Die Asozialität seiner Tat war für Breivik nicht mehr ein Akt gegen die soziale Gemeinschaft; er wollte nicht der Gemeinschaft schaden, indem er sich ihr gegenüber asozial verhält. Vielmehr war nach Breiviks Analyse das Soziale nicht mehr existent! Das Soziale war nach Breivik in der Gesellschaft vergesellschaftet und somit zerstört worden: Werte- und Kulturrelativismus, die Zerstörung der Erfahrung unzähliger Generationen, die Auflösung des Familienmodells, die Vergesellschaftung und somit Auflösung der Intimität sexueller Beziehungen ab dem Kindergarten, die Förderung einer blinden, ungesteuerten Multikulturalität mit der gleichzeitigen Tabuisierung von explodierenden Vergewaltigungs- und Kriminalitätszahlen und der politischen Doktrin, alles Fremde als gut und begrüßenswert in die eigene Wertegemeinschaft eindringen und tolerieren zu müssen. All jene Fragmente einer nach Breiviks Ansicht durch sozialistische Programme gesteuerten gewaltigen und systematischen Dekonstruktion von Familie, Heimat, und Leitkultur haben in Breiviks Weltsicht den individuellen Schutz des Individuums aufgehoben und somit das Soziale der multikulturellen Auflösung geopfert: Das Soziale ist zerstört worden. Von diesem Ansatz her ist es für Breiviks Denkfigur nur ein kleiner gedanklicher Schritt, den über alles prangenden Begriff des „Sozialen“ als eine vermeintlich vordergründige Lüge zu entlarven. Political Correctness war hierbei DER explosive Brandbeschleuniger in Breiviks Psyche, da jeder öffentliche Diskurs über die von ihm monierten Fehlentwicklungen zu reflexhaften, ideologischen Denkverboten und sozialer Ausgrenzung führte und eine offene Diskussion verhindert hat. Breiviks politisch nicht genehme Fragen, Feststellungen und Kritiken stempelten ihn zu einem sozialen Außenseiter.

Ein öffentliches, ein soziales Korrektiv durch diskursive Kommunikation war in Norwegen nicht möglich, ein Druckausgleich in Breiviks emotionalen Systems war in der gedanklichen Vakuumkammer der Political Correctness nicht vorgesehen. Folglich ist in einer derartig entwerteten, atomisierten, anomischen, hoffnungslosen Welt, wie sie Breivik offensichtlich empfand, das Soziale verschwunden, sodass eine solche Tat für Breivik nicht asozial sein konnte, vielmehr zum Ziel vorgab, jene Ursachen und Gründe für die von ihm wahnhafte attestierte Asozialität der Gesellschaft mit Gewalt beseitigen zu müssen. Eine pervertierte, denaturierte Zwangslogik: Asozialität gegen eine asoziale Gesellschaft, um das Soziale zu erzwingen, war seine Konklusion. In jenem Sinne fühlte sich Breivik als Retter des Sozialen, als Ritter, als Ehrenmann, als Patriot einer kulturdekadenten Gesellschaft, die das Attribut „sozial“ in den multikulturellen Schmelztiegeln verbrannt hat.

8. Krieg ohne Nachdenken

Breivik dürfte bekannt gewesen sein, dass es auch im Modus eines vermeintlichen Kriegszustandes ein minimales Set an sozialen Übereinkünften gibt, die die Zivilisation von der bloßen Barbarei trennt. Zivilisten sollten geschont werden, Frauen und Kinder, Alte und Gebrechliche, und all jene, die sich dem Feind ergeben, sollten nach menschlichen Ermessen gut behandelt werden. Dass Breivik diese Regeln brutal durchbrochen hat, lässt nur den unangenehmen Schluss zu, dass er die Differenzierung zwischen Zivilgesellschaft und Armee aufgegeben hat. Ein Staat und eine Gesellschaft, die das Soziale zerstört und das Asoziale vergesellschaftet, also verallgemeinert hat, führt nach den Denkmustern Breiviks einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Dabei kommt nach Breivik der politischen Führungsklasse die Funktionsrolle einer Armeeleitung zu, die den Krieg gegen die eigene Bevölkerung durch die Förderung von multikulturell verdeckten Einsatzgruppen forciert und Mord und Totschlag und Vergewaltigung auf den Straßen nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern nach Breiviks Logik gezielt fördert, da der Wert des Individuums, der Wert der eigenen Identität gegenüber den Fremden aufgelöst, relativiert und so gänzlich nivelliert und ausgelöscht wurde: Ein Staat, der die partikulären Interessen des Individuums vergesellschaftet und somit das Soziale auflöst, führt Krieg gegen jeden Bürger, der sich nicht beugen will. Und folglich sah Breivik in der politischen Kaderschule auf der Insel ein Armeeausbildungslager für jene Funktionäre, die den Krieg gegen die eigene Bevölkerung weiter betreiben sollten. In jenem Sinne wähnte sich Breivik im Kampf gegen Kindersoldaten einer Besatzungsmacht, die das eigene Land zerstören werden.

9. Aus dem Grauen Lernen

Breiviks in sich geschlossenes Denksystem lässt keine Kompromisse oder Schlupflöcher zu. Lehnt man seine „Beweisführung“ ab, ist man gezwungen, die Widersprüche zu entlarven – jedoch: in Breiviks Grammatik der Moral sind die uns bekannten Vorzeichen vertauscht: der Staat als Feind, das Individuum vergesellschaftet, das Soziale aufgelöst und in sein Gegenteil transformiert, die öffentliche Kommunikation reine Propaganda, die offene Meinungsäußerung tabuisiert — wer an jenem Gedankensystem Kritik üben will, muss entweder die Prämissen Breiviks dogmatisch ablehnen und sie so bestätigen (wer die Kritik an der Political Correctness ablehnt, bestätigt sie), oder zustimmen und sich so die Mittel zur Kritik selbst entziehen. Entziehen wir uns aber gänzlich der inhaltlichen Auseinandersetzung durch Propaganda und Gedankenverboten (pc), wird es noch viele Breiviks geben.

10. Mehrfachopferung

Wer den Schlussfolgerungen nicht ziehen mag, obwohl sie sich unschwer aus Breiviks Manifest „2083“ destillieren lassen, wer die Vernunft wider besseren Wissens aus Gründen einer totalitären Political Correctness unterdrücken will und eine Dämonisierung und somit Antirationalisierung betreibt, verhöhnt und opfert nicht nur die Opfer zum 2. Mal, sondern:

[…]

[Schluss wg. tech. Probleme gekürzt]