Wikipedia und die selbstverordnete Zensur

Wikipedia ist die größte Errungenschaft des World Wide Web. Doch Wikipedia ist nicht mehr das was es einmal war.

Das Problem ist der Vandalismus. Dieser allerdings nur sekundär. Denn um ihn zu bekämpfen überlegte man sich Restriktionen, und diese sind meines Erachtens schlimmer als die eigentliche Ursache. Sie sind so einschneident, dass man an Schäuble oder Bush Junior (Thema Terrorismus) erinnert wird. Man stirbt quasi aus Angst vor dem Tod. Über all das könnte man hinwegsehen, gäbe es nicht diese Nutznießer, welche diese Reglung für ihre »Ideologie« ausnutzen. Fatal!

Wirklich frei?

Der Schlüssel zum Erfolg von Wikipedia war die Idee, dass jeder seinen Beitrag mit einbringen konnte. Ob es sich um einen eigenen Artikel handelte, oder eine Ergänzung eines bereits bestehenden, egal. Auf dieser Basis entpuppte sich Wikipedia binnen weniger Jahre zu einer allumfassenden Wissensenzyklopädie der Menschheit. Ohne Sprachbarrieren. Selbst Microsoft, dem freien Softwaregedanken nach wie vor fern, stellte sein (kommerzielles) Encarta ein mit der Begründung, es gäbe mittlerweile andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung. Welche damit gemeint war, war jedem klar.

Artikelversionen

Wo nun liegt das Problem? Seit Mai 2008 gibt es, um Vandalismus vorzubeugen, so genannte Artikelversionen. Es gibt gesichtete bzw. geprüfte Versionen eines Artikels. Das heißt, jede Änderung eines Beitrags ist erst dann wirklich sichtbar, wenn er gesichtet/geprüft ist. Ergo, man bekommt lediglich die zuletzt gesichtete Version zu Gesicht. Entschieden wird dies durch ein Fachpublikum, also durch die jeweiligen Artilekmoderartoren. Und genau da liegt der Hund begraben.

Die Wächter

Gehen wir einmal von einen banalem Betrachtunswinkel aus. Hier, in diesem Weblog habe ich den Musiker David Garrett aufs Korn genommen. Im Forum dieses Künstlers hat der Artiklel, naja, erwartungsgemäß für Unverständnis gesorgt. Die unfreiwillige Komik, insbesondere die Untermauerung meiner durch Ironie ausgeübten Kritik, ließ mich schmunzeln. Aber mir wurde klar, dass der geneigte Leser selbst für eine konstruktiv sachliche Kritik nicht empfänglich gewesen wäre, denn: die waren alle in David Garrett verliebt. Verständlich im Grunde genommen. OK, all das spielte sich zwar in einem Forum ab, doch ich bin mir sicher, dass in Wikipedia der gleiche Schlag von Leuten agiert, bzw. dort moderiert; also »Wächter des Systems«, in ihrer Subjektivität gefangene Fahnenträger sind.

Diese Wächter zu überboten bedarf eines langen Atems. Man muss schon ebenso engagiert, besser gesagt fanatisch an die Sache herangehen um Erfolg zu haben. Doch darin lag nie der Schlüssel von Wikipedia, sondern die Einfachheit war es.

Natürlich muss es sich nicht wie in diesem bewußt banalen Beispiel um einen Star handeln. Es kann ebenso gut der Fraktionsvorsitzende der CDU/SPD/FDP in Hinterdorfbach sein oder eine Marke wie Nike.

Erfahrungen

Meine negativen Erfahrungen betreffen die unterschiedlichesten Themengebiete. In etwa die Hälfte meiner Ergänzungen haben nicht überlebt. Ich möchte erwähnen, dass mein Schreibstil in Wikipedia nicht mit dem hiesigen zu vergleichen ist. Vor Wikipedia habe ich Respekt und bevor ich falsches oder unsachliches hevorbringe, lasse ich es. Ich schreibe selten und wenn, dann im Bemühen fundiert zu sein.

Man mag einwenden, die Qualität meiner Beiträge lasse sicherlich zu wünschen übrig. Das mag sein, doch die Qualität ist seltsamerweise immer dann gut genug, wenn ich weder Tabus breche, noch gegen den Strom schreibe. Ergo, meine Ergänzungen wurden immer dann nicht übernommen, wenn es sich im weitesten Sinne um eine kritische Auseinandersetzung handelte. Ob es dabei um Komponisten ging, um Autos oder Politiker der Weimacher Republik, spielte keine Rolle. Die selbsternannten Sittenwächter (quasi Fans) bügelten alles sofort wieder glatt; bzw. sichteten den Artikel ohne die Änderung zu übernehmen.

Vorher, also vor dieser Reglung musste »Der Wächter« noch tätig werden, indem er einen Artikel wieder auf den alten Stand brachte. Immerhin eine ihm abverlangte Aktion. Nun, wenn ihm eine Ergänzung nicht zusagt, muss er gar nichts mehr unternehmen. Ignorieren, fertig. Er kann somit nicht nur darüber bestimmen was »gut« oder »schlecht« ist, sondern ist auch ausführende Gewalt die ihn befugt, Inhalte zu autorisieren, respektive frei- oder nicht freizuschalten. Richter und Vollstrecker in einer Person. Keine Gewaltenteilung also.

Wie auch immer, ich gab in diesen Situationen jeweils nach, denn schließlich ging es mir nie darum das letzte Wort zu haben, sondern um objektive Information. Wer nicht will, der hat eben schon.

Fazit

Ich lebe lieber mit Vandalismus als mit Restriktionen. Lieber mit »Terrorismus« und dafür in Freiheit als unselbiges. Vandalismus nämlich kann der Leser immer noch besser erkennen als gefilterte und geglättete Information. Letzteres ist in meinen Augen subtile Propaganda.

Zur Not wäre ich gar mit dem Mechanismus der Artikelversion einverstanden, gäbe es eben nicht jene subjektiven und intolleranten Wächter die somit Nutznießer des Systems werden. Die Frage bleibt ja, wer entscheidet über das Drin oder Draußen? Und genau hier liegt die Schwachstelle dieser Reglung.

Solange es dieses System gibt, hat Wikipedia ein Problem. Solange es Richter und Polizisten in einer Person gibt, werden diese Leute Ecken und Kanten ausbügeln. Eben solange, wie man ihnen die Werkzeuge dazu in die Hände gibt.

Was mich betrift, ich schreibe nichts mehr für die Wikipedia.

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