Walters Eck weg – Jetzt endlich jugendstilfreie Innenstadt
Saarbrücken wurde im Krieg zerbombt. Da mussten in den 50ern schnell mal ein paar billige Bauten her. So heißt es immer. Ja, stimmt, doch dass Saarbrücken mittlerweile so hässlich ist, hat vor allem andere Gründe.
Wurstesserdenken, Kultur- und Geschmacklosigkeit geben sich ein dilettantisches Stelldichein mit einer guten Portion Korruption. Viel erhaltenswertes Alte musste leider aber auch ohne die Bomben aus England und Amerika weichen. Auch nicht die heutigen Neubauten, jetzt ja ohne Nachkriegsnot, waren ansehnlicher geworden. Dass es manchmal auch anders ging, zeigen beispielsweise die schöne Architektur des VHS-Gebäudes am Schloss oder die Kirche Maria Königin des Architekten Rudolf Schwarz am Rotenbühl.
Jüngstes Beispiel der Kulturenterbung: Walters Eck weicht einem 08/15 Glas-Stahl-Beton-Bau. Die Bergwerksdirektion sei hier an anderer Stelle erwähnt. Walters Eck musste weichen, weil andere Interessen Vorrang hatten. Die alte Leier. Sanierung zu teuer, war ja innen schon ganz marode …
Auch hier spielte diesbezüglich eine Figur wieder erste Geige: (Ex-) Baudezernent und seines Zeichens Jugendstilhasser Dieter Ehrmanntraut. Der Rest ergibt sich im saarländischen Vetternland von selbst.
Endlich ist die Innenstadt nun weitgehend jugendstilfrei und statt Walters Eck gibt’s nun Pipi von der Stange. Saarbrücken, noch vor 70 Jahren eine wunderschöne Stadt, im Erbe wie im Aufbruch, nun das letzte Loch im Südwesten … dank einem Duzend voller Betonköpfen in Körperschaften und Politik.
Aktualisierung – 10 Mai 2009
Was ich bis dato gar nicht wusste und erst durch die Aktionen des Saarbrücker Bürgerforums mit ihrer Videoaktion über Walters Eck erfahren habe, ist, dass die Kaufhauskette C&A treibende Kraft dieser Kulturenterbung war. Es ist ähnlich wie bei der Bergwerksdirektion. Der Konzern macht Vorgaben und die Stadt fällt auf die Knie.
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Jammerschade zu sehen, was sich die Stadtpolitik in meiner Heimat da wieder hat aufschwatzen lassen. Warum hat man die Schmuddelecke nicht zeitgenössisch ergänzt und das wunderschöne Kaufhausrelikt, welches den Krieg ja wohl überstanden hatte da nicht integriert? Wenn ich mir Vorkriegsfotos der Bahnhofstrasse anschaue und das mit den runtergekommenen 70er Jahre Scheusslichkeiten von heute vergleiche, kommen einem die Tränen. Das Kaufhaus am Walters Ecke war da eine der wirklich letzten Rettungen, die and das proesprierende Kaiserreich-Saarbrücken erinnerte. Jetzt auch dies: perdü. Eigentlch könnte man Schloss und Rahhaus auch gleich abreissen. Eine HundM Filiale würde sich dort gut machen.
@peha
Nein, Du musst nicht nach Paris fahren. Ganz hier in der Nähe befindet sich die Schwesterstadt (so hieß das damals) von Saarbrücken: Nancy. Beide wuchste etwa zur Aufbruchzeit in schönem Jugendstil heran. Der Unterschied: Nancy ist sich dem Wert seiner Architektur bewußt und bewahrt ihn bis heute wie einen Gral. Kurzsichtigkeit, ein paar Nullen auf dem Konto für die Konzerne welche in wenigen Jahren niemand mehr interessieren, ist leider die Saarbrücker Art des Denkens. Doch was zurück bleibt, ist das Zerstörte, und das unwiederbringlich. Eine sugzessives Brandschatzen einer Stadt. Stadt als Beute!
@kritisator War wohl der „Letzte Coup“ des „Ehrmanntraut“, ich ärgere mich heute noch darüber, früher war das Bekleidungsgeschäft „Walter“ Namensgeber(für fast einen ganzen Block), ein sehr
schönes Gebäude, dann waren C & A einmal darin und „Metzen“ und einige „Ramschläden“ dieser ART (DUK Markt)!!
Vorne im Anbau zur Bahnhofstrasse, hing immer diese alte, ehrwürdige „DUGENA“ Uhr, die jahrzehntelang auf „Viertel nach Fünf“ zeigte (schaute man aber genau hin, war es mindestens 17 Minuten nach 5 !!) Die hätte ich beinahe bekommen…aber mein Mobiltelefon versagte !! und ich hatte auch keine Adresse von den Zuständigen ! Ich war wirklich geschockt darüber, als ich erfahren hatte, dass die „Bürgerinitiative“ nichts erreichte…ich hatte mich ebenfalls daran beteiligt ! So kaputt kann das Haus nicht gewesen sein, denn es beherrbergte noch bis kurz vor dem Abriss einen der besagten „Ramschläden“, (mit Sicht zur alten, damals noch „intakten“ Bergwergsdirektion-im ehemaligen „Café Kiefer“, vorne im Anbau ein weiterer, ein Internetcafé und eine Minibäckerei (in dem Laden wurden mir, als hier noch ein Juwelier ansässig war…meine Ohrlöcher gestochen…meine ersten Ohrringe !!:-))) Und jetzt ist alles weg ! DANK EHRMANNTRAUT !! Was ein Name !! War er wirklich ein „Ehrenmann, dem man trauen“ konnte !??? Nein, ein Banause !! Das ganze Gehabe war doch alles Korruption !! Und was sagte die „Denkmalschutzbehörde“ dazu ???
Zum Glück verblassen Erinnerungen nicht so schnell !!
„Walters Eck“ lebt !!“ (in einer anderen Dimension !)
Muss ich eigentlich nach Paris fahren um mir „Jugendstil“ anzuschauen ??
Hallo Axel,
danke für den Kommentar.
Was kann ein Jugendstilbau dafür, dass man ihn runterkommen lässt und nebenan ein Sexkino gebaut wird? Ich werfe ja auch nicht den goldenen Kelch weg, wenn der Wein darin sauer ist.
Was den “08/15 Glas-Stahl-Beton-Bau” betrifft, so geht mir auch dieser Einheitsbrei auf den Wecker. Ich will nicht, dass der Kaffee weltweit gleich schmeckt. Ein Bekannter zeigte mir letztens Fotoarbeiten, die er in Tokio gemacht hatte. Nun ja, das hätte auch Darmstadt oder Seattle sein können. Wir wohnen nun mal in Saarbrücken, und HATTEN was eigenes. Wir sind nicht in Wolfsburg, welches aus dem Boden gestampft wurde um Autos zu bauen. Jeder schwärmt von unserer lothringischen Nachbarstadt Nancy. Vor 100 Jahren waren die beiden Städte im Grunde Geschwister. Würde man dort so was machen?
Wie lange die Saargalerie als eigenständige Investmentarchitektur Bestand hatte, sieht man ja nicht nur an der Außenfassade. Was den Brunnen anbelangt, so gibt es demnächst darüber einen eigenen Artikel.
Einerseits teile ich Ihre Meinung. Andererseits muss man aber auch sehen, dass der Bau ziemlich heruntergekommen war und zuletzt nur einem Ramschladen Platz bot, begleitet von einem Sexkino direkt daneben und einem schon lange geschlossenen Kaffee.
*So* hässlich sieht der „08/15 Glas-Stahl-Beton-Bau“ auch nicht aus. Da gibt es im Umland ganz andere „Bauwerke“. Und was die Bergwerksdirektion angeht, sieht das Projekt m. E. recht ordentlich aus. So kann man endlich aus der viel zu kleinen Bauruine Saar Galerie was Ernsthaftes machen. Schade ist es dabei nur um den Brunnen, der verschwunden ist.